Patrizier in Reichenhall

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Patrizierhäuser im Spätmittelalter

Im frühen Mittelalter beanspruchte der bayerische Herzog das Eigentum an den Reichenhaller Solequellen. Seit der Übertragung von einem Drittel der Quellschüttung und 20 Pfannen samt spezialisierten Salinenarbeitern an die Salzburger Kirche unter der Leitung des heiligen Rupert im Jahr 696 verteilten sich die Eigentumsrechte an der Saline jedoch stetig weiter. Bereits 713/15 erhielt das Frauenkloster Nonnberg neun Salzpfannen samt leibeigenem Fachpersonal von Herzog Theodbert. Im Laufe der Zeit besaßen neben dem bayerischen Herzog über 60 Eigentümer Anteile an der Saline, darunter der deutsche König und hohe Adelige sowie eine Reihe von süddeutschen Bistümern und Klöstern. Im 12. Jahrhundert bestand die Saline aus mehreren Brunnenschächten, etlichen Schöpfgalgen und etwa 60 kleinen Pfannhäusern. Allein die Soleschüttung war in über 300 Anteile aufgesplittert, wobei die meisten Eigentümer Beteiligungen an verschiedenen Soleschächten besaßen. Um einen Betriebsablauf zu gewährleisten, der allen Anteilsinhabern gerecht wurde, war man mehr denn je auf das Fachpersonal angewiesen, das am besten über die Abläufe bei der Salzproduktion Bescheid wusste.

Bereits im 11. Jahrhundert hatten Pfannenbetreiber damit begonnen, bestimmte Salineneinheiten nicht mehr nur zu verwalten, sondern als selbständige Unternehmer auf der Grundlage von Pachtverhältnissen zu bewirtschaften. Mit dem erwirtschafteten Geld kauften sie sich aus der Leibeigenschaft frei.  Manche der Pächter erwarben ohne obrigkeitliche Zustimmung mehrere Anteile an Solebrunnen und weigerten sich, die vom Grundherrn (Eigentümer) geforderten Abgaben zu entrichten. Die Anteile vererbten sie ohne Genehmigung sogar an ihre Nachkommen. Für die Grundherren  wurde es zunehmend schwieriger, Besitzentfremdungen zu verhindern, da sich offenbar die Rechtsverhältnisse stark verselbständigt hatten. Gleichzeitig sahen sich die einst von den Grundherren in Reichenhall eingesetzten Verwalter immer stärker als die eigentlichen Leistungsträger an der Saline. Dies führte im Laufe der Zeit zu einer Aushöhlung der alten Eigentumsverhältnisse, denn die Eigentümer saßen meist weit entfernt von der Salinenstadt. Die Pächter schlossen sich zu einer Art Syndikat zusammen, um die Produktion und den Absatz gemeinsam zu organisieren. Die Salinenbetreiber entwickelten sich zur  gesellschaftlichen Oberschicht der Salinenstadt, dem Salzpatriziat. Anstelle des Adels und der Kirche gab nun diese bürgerliche Schicht immer mehr den Ton an und erweiterte ihren Einfluss in der Stadt. Aus dem Salzpatriziat rekrutierte sich der Stadtrat („Rat der Sechzehn“), der die Geschicke Reichenhalls auch politisch bestimmte.

Als Stifter der Ägidikirche erscheint der Patrizier Heinrich Laubez 1159 in einer Urkunde des Salzburger Erzbischofs, worin Reichenhall erstmals als „civitas“ (Stadt) bezeichnet wird. Die wohl angesehenste Familie Laubez bestimmte für eineinhalb Jahrhunderte die Entwicklung der Stadt mit. Die meisten Patrizierfamilien verließen nach der katastrophalen Zerstörung Reichenhalls durch den Salzburger Erzbischof von 1196 den Ort. Die beiden Geschlechter Laubez und Rutzenlacken jedoch blieben in Reichenhall, weil sie die Stadt nicht aufgeben wollten. Ihnen ist es zu einem erheblichen Teil zu verdanken, dass der Ort weiterbestand und wiederaufgebaut wurde.

Die Reichenhaller Patrizier besaßen repräsentative Wohnsitze in der Stadt, von denen einige sogenannte Geschlechtertürme – vergleichbar mit jenen in Regensburg – vorweisen konnten.

Siegel der Bürger von Hall, 1279


Ende des Patriziats

Zu Ende des 12. Jahrhunderts war das Monopol der Reichenhaller Saline im süddeutschen Salzhandel gebrochen worden. Immer mehr leistungsfähige Produzenten drängten sich auf dem Salzmarkt. Um die Saline konkurrenzfähig halten zu können, mussten vor allem im Laufe des 15. Jahrhunderts immer weitere Investitionen getätigt werden, was die Betreiber schließlich finanziell an ihre Grenzen stoßen ließ. Gleichzeitig wurden bei wichtigen Problemen falsche Entscheidungen getroffen. Aus Sorge um einen der wichtigsten Wirtschaftszweige in seinem Herrschaftsbereich setzte der bayerische Herzog 1461 einen „Salzmeister“ (später: Salzmeier) als herzoglichen Beauftragten in der Saline ein. Herzog Georg der Reiche zwang die Siedeherren mit einer feindlichen Übernahme ab 1481 zum Verkauf. Lediglich das Augustiner Chorherrenstift St. Zeno war noch bis 1616 als selbständiger Salzproduzent tätig. Die Leitung der gesamten Saline lag nun in Händen des herzoglichen „Salzmeiers“. Die große Zeit des Salzpatriziats war damit endgültig vorüber.

Siehe auch: Fröschl (Patrizierfamilie), Geschlechtertürme


Quellen:

Johannes Lang, Geschichte von Bad Reichenhall, 2009.

Johannes Lang, Regensburger Chimäre trifft Reichenhaller Frosch – Das Erbe der Zant, in:

Verhandlungen des Historischen Vereins für Oberpfalz und Regensburg, 2011.

Johannes Lang, Monopol – Krise – Marktdynamik. Zur Entstehung hochmittelalterlicher Salinenstädte im Ostalpenraum unter besonderer Berücksichtigung Reichenhalls, in: Wolfgang Wüst/Klaus Wolf (Hg.), Die süddeutsche Städtelandschaft im Vergleich, Berlin 2021.


Bearbeitung: Andreas Hirsch